Vegane Ernährung

Grundsätze der veganen Ernährung

„Go vegan“, „stop eating animals“ sind Aufforderungen, die uns auf Plakaten und bei Demonstrationen z.B. vor dem Schlachtkonzern Tönnies begegnen. Aber was genau ist denn „vegan leben“? Geht das überhaupt über einen längeren Zeitraum, auf alle Produkte von Tieren zu
verzichten?

Vor diesen Fragen habe auch ich vor etwas über vier Jahren gestanden. Inzwischen habe ich eine Ausbildung zur „Veganen Ernährungsberaterin“ bei ecodemy GmbH, einer Internet-Fachakademie, die von Menschen betrieben wird, die vegan leben und die neuesten Erkenntnisse insbesondere über die vegane Ernährung sammeln, vollendet.

Eines vorab: „vegan“ bedeutet an sich nur „frei von tierischen Produkten“. Unter diesem Aspekt ist klar, dass vegane Ernährung auch ungesund sein kann, wenn sie ungünstig zusammengesetzt ist. Denn es gibt inzwischen auch für alle Schleckereien vegane Ersatzprodukte. Die können das gelegentliche „Leckerli“, also ein „Genussmittel“ sein und den Übergang von durchschnittlicher Mischkost zur veganen Ernährung zumindest psychologisch erleichtern. Letztendlich ist im Sinne von „Tierwohl“, Klima und Artenvielfalt beinahe jede vegane Ernährung der durchschnittlichen Mischkost vorzuziehen, angesichts der Schäden, die die „Fleischproduktion“, aber auch die Produktion von Milch und Eiern weltweit anrichtet. Eine darüber hinaus auch gesunde und sozialverträgliche vegane Ernährung ist ausgewogen und vollwertig, mindestens die Hälfte der Lebensmittel sollte roh verzehrt werden (Die vegane Rohkosternährung ist eine besondere vegane Ernährungsform). Getreideprodukte wie Nudeln, Brot usw. sollten möglichst aus Vollkornmehl hergestellt sein. Und alle Ausgangsstoffe sollten, wenn möglich, aus kontrolliert biologischem Anbau stammen, wenn kein eigener oder gemeinschaftlicher Anbau möglich ist, um Pestizide zu vermeiden und um umweltverträglich wirtschaftende Betriebe zu fördern. Wünschenswert ist ein hoher Grad an regionalen Produkten, wegen der Frische und der eingesparten Transport-Emissionen. Gerade im Winter kann die Auswahl an regionalen veganen Lebensmitteln jedoch auch begrenzt sein (immerhin sind viele Kohlsorten frisch und Kartoffeln aus Lagerung verfügbar). Beim Kauf von Importware sind neben den biologischen Anbaubedingungen auch die sozialen relevant, so dass auch nach Fairtrade-Produkten geschaut werden sollte.

Einige Nährstoffe müssen nicht nur bei veganer Ernährung im Auge behalten werden: Vitamin B12 das ganze Jahr über und Vitamin D in den „dunklen“ Monaten von Oktober bis März. Hierfür gibt es sogenannte Supplemente, die z.B. in der Apotheke erhältlich sind. Jod und Selen kommen hierzulande wenig in den Böden vor, aber sind z.B. in Paranüssen (z.B. aus Fairtrade-Regenwald- Sammlung aus Bolivien) so reich enthalten, dass alle zwei Tage zwei Paranüsse schon den Bedarf decken können.

Eine anschauliche Orientierung bietet die von ecodemy erstellte vegane Ernährungspyramide (siehe Abbildung). Besonders die unterste „feste“ Lage, bestehend aus 2/3 Gemüse und einem Drittel Obst, bietet eine Fülle an Vitaminen und Mineralstoffen sowie an Ballaststoffen (in tierischen Produkten nicht enthalten) und den noch wenig erforschten „sekundären Pflanzenstoffen“, die die vegane Ernährung zu einer wahren Fitnessbombe machen. Insbesondere Blumenkohl und Brokkoli sind aktuell Gegenstand der Forschung nach Krebsmedikamenten. Getreide, Kartoffeln und andere Speicherknollen liefern Kohlehydrate und Protein, die sättigen und „Power“ geben. Protein bieten vor allem auch die darüber befindlichen Hülsenfrüchte. Nüsse und Samen liefern vollwertige, gesundheitsfördernde Fette. Milchersatzprodukte sind entweder aus Hülsenfrüchten (Sojajoghurt), Nüssen (Haselnuss-, Cashewmilch) oder Getreide (Hafer-, Dinkelmilch) und unterscheiden sich stark in ihrer Zusammensetzung. Und die Pyramidenspitze bietet jegliche vegane Vielfalt, von Alkohol über Zucker bis hin zu Acrylamid (Chips, Kekse etc.)…

Wenn Sie vegane Ernährung ausprobieren wollen, schauen Sie sich die Pyramide einmal in Ruhe an: vieles wird Ihnen schon bekannt vorkommen, manches mögen Sie wahrscheinlich gern, anderes nicht, aber einiges kennen Sie womöglich auch noch nicht. Tun Sie sich keinen Zwang an, aber bleiben Sie neugierig. Sie müssen nicht von Anfang an „alles perfekt“ machen. Nur ein bisschen sollten Sie im Interesse der Gesundheit darauf achten, dass die „Pyramide“ nicht zum „Dönerspieß“ wird 🙂

Ina Krämer-Schiedel

Biozyklisch-Veganer Anbau


Der Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.V., Berlin, steht für konkrete, praxisrelevante Lösungen für eine Landwirtschaft der Zukunft. Der Förderkreis versteht sich dabei als ideeller Förderverein der biozyklisch-veganen Landbauidee im deutschsprachigen Raum. Wir sprachen nun mit Vereinsvertreterin Anja Bonzheim über die Vorteile und aktuellen Entwicklungen der Biozyklisch-Veganen Landwirtschaft und die Arbeit des Förderkreises.

Frau Bonzheim, Sie sind für den Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.V. tätig, der sich für biozyklisch-veganen Landbau einsetzt. Diese Anbauform ist noch relativ unbekannt.

Können Sie uns erklären, was eine Biomöhre von einer Möhre aus zertifiziert biozyklisch- veganem Anbau unterscheidet?

Anja Bonzheim: Obst, Gemüse und Getreide enthalten keine tierischen Inhaltsstoffe, womit sie natürlich erstmal per definitionem vegan sind. Dem Anspruch vieler Menschen, die sich vegan ernähren, Tierleid zu vermeiden und die Tierhaltung zu umgehen, halten diese Lebensmittel dennoch oft nicht stand.

Konventionelles Obst, Gemüse oder Getreide ist oft mit Giften gespritzt, welche die Bestäuberinsekten sowie die Tiere im Boden und in den Gewässern schädigen oder sogar töten.

Biologisch angebaute pflanzliche Lebensmittel richten diesen ökologischen Schaden zwar nicht an, jedoch werden sie häufig mit Gülle, Mist, Jauche aus der wirtschaftlichen Tierhaltung oder mit Schlachtabfällen aus konventionellen Schlachthäusern (oft sogar noch nicht einmal europäische) gedüngt. Die Schlachtabfälle (Horn-, Haar-, Feder-, Blut-, Knochenmehlpellets) sind auch im Ökolandbau zugelassen, da sie als Abfallstoffe günstig zur Verfügung stehen und schnell verfügbaren Stickstoff für die Pflanzen liefern. Damit sind die veganen Lebensmittel zwar in ihren Inhaltsstoffen vegan, ihre Produktion schließt jedoch nach wie vor die wirtschaftliche Tierhaltung mit ein. Im biozyklisch-veganen Anbau wird der vegane Gedanke bis zurück auf das Feld gedacht: die wirtschaftliche Tierhaltung sowie die Verwendung tierischer Dünge- und Betriebsmittel sind verboten, der Anbau erfolgt stattdessen in pflanzlicher Kreislaufwirtschaft und beinhaltet einen gezielten Humusaufbau. Darüber hinaus wird viel Wert auf die Förderung der Artenvielfalt und ein gesundes Agrarökosystem gelegt.

Biozyklisch-veganer Anbau ist also das neue Bio-Plus?

Anja Bonzheim: Das könnte man so ausdrücken. Die Biozyklisch-Veganen Richtlinien sind im Jahr 2017 von der Dachorganisation der Öko-Landbaubewegungen IFOAM anerkannt und in die IFOAM Family of Standards aufgenommen worden; das bedeutet, Erzeugerbetriebe, die nach diesen Richtlinien wirtschaften, können dies dann von einer unabhängigen Kontrollstelle kontrollieren und zertifizieren lassen. Das Gütesiegel „biozyklisch-veganer Anbau“ steht für den veganen Anbau ab Feld und macht diese zusätzliche Produktqualität am Markt sichtbar. Wo zuvor nicht möglich war, zu erkennen, wie auf diesen Betrieben gedüngt wurde, macht nun ein Siegel deutlich, dass ausschließlich pflanzlicher Kompost, Gründüngung, Mulch oder andere vegetabile Düngemethoden zum Einsatz kamen.

Neben dem veganen Ansatz beinhalten die biozyklisch-veganen Richtlinien sehr hohe Auflagen zum Schutz vor Abdrift und Kontaminationen von benachbarten konventionellen Feldern, viele Grundsätze, die aus der Permakultur bekannt sind, wie z.B. die Mischkultur oder die Kompostwirtschaft, sowie und den Grundgedanken, ein stabiles, gesundes Ökosystem sowie eine gute Bodenfruchtbarkeit herzustellen. Verglichen mit den Bioverbandsrichtlinien sind die Biozyklisch-Veganen Richtlinien im Bezug auf Boden-, Gewässer- und Artenschutz tatsächlich strenger. Zudem haben biozyklisch-vegane Betriebe eine super Klimabilanz.

Gibt es denn aus Verbraucherkreisen Ihrer Meinung nach Interesse an dieser Produktqualität Anja Bonzheim: Wenn ich Konsumentinnen und Konsumenten davon erzähle, dass Bio-Gemüse mit Schlachtabfall gedüngt wird, sind sie meistens geschockt und fragen mich nach der Alternative, selbst wenn Sie selber gar nicht vegan leben. Die gesundheitliche Bedenklichkeit dieser Pelletdünger ist groß, sie können mit Keimen, Antibiotika und Schwermetallen belastet sein. Hier liegt noch ein Wissensdefizit vor, das es gilt zu überwinden.

Auch das Thema Klima wird immer wichtiger für die Menschen. Wenn der Öffentlichkeit bewusst wird, dass die Tierhaltung mit 15,5% (FAO) einen großen Teil des anthropogen verursachten Treibhausgasausstoßes ausmacht und es dringend in der Landwirtschaft neue Wege zu beschreiten gilt, so ist davon auszugehen, dass das Interesse stark wachsen wird. Es braucht Vorreiter und Botschafter, die die Nachricht, dass biozyklisch-veganer Anbau durch den konsequenten Humusaufbau Kohlenstoff binden und ohne die treibhausgasreiche Tierhaltung gesunde Lebensmittel produzieren kann, streuen.

Bisher sind in Deutschland drei Ökobetriebe nach den Biozyklisch-Veganen Richtlinien zertifiziert. Warum gibt es zurzeit noch so wenig biozyklisch-vegane Betriebe in Deutschland? Anja Bonzheim: Das Potenzial für den biozyklisch-veganen Anbau ist groß, etwa ein Viertel der Biobetriebe in Deutschland wirtschaftet ohne eigene Tierhaltung, setzt jedoch in den meisten Fällen tierische Dünger ein. Es ist aber so, dass die Biozyklisch-Veganen Richtlinien erst seit zwei Jahren existieren. Zunächst einmal muss der biozyklisch-vegane Anbau also auf allen Ebenen bekannter werden.

Dann müssen sich ökologisch Wirtschaftende von dem Dogma lösen, Tierhaltung sei elementarer Bestandteil einer Kreislaufwirtschaft. Es können Kreisläufe sehr gut auch pflanzlich geschlossen werden. Betriebe müssen dazu langfristig ihr Nährstoffmanagement umstellen und mithilfe von vegetabilen Methoden düngen. Beispiele sind Mulchen, die Verwertung von pflanzlichen Gärresten aus einer Biogasanlage geschehen oder im besten Fall eine eigenbetriebliche Kompostierung.

Pflanzlicher Aufwuchs muss direkt zur Düngung verwendet werden. Futterleguminosen, wie Kleegras, oder Körnerleguminosen, wie Ackerbohnen, dürfen nicht mehr als Futter verkauft werden, sondern werden zur Kompostierung oder als Mulchmasse verwendet. Dadurch entfällt ein Teil des Betriebseinkommens, welches kurzfristig betrachtet, erst einmal fehlt. Langfristig wissen wir aber aus Erfahrung, dass durch eine intensive Kompostwirtschaft die Bodenfruchtbarkeit derart erhöht und die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen so sehr gesteigert wird, dass die Erträge besser werden.

Zudem ist ja das Ziel, dass Betriebe, die ihre Produkte mit dem biozyklisch-veganen Gütesiegel auszeichnen, einen besseren Preis für die Bewirtschaftungsform, für die sie sich entschieden haben, erhalten. Derzeit fehlt hier noch das klare Signal des Handels. Produkte mit einem Label kommen ja nur dann in die Regale der Supermärkte und Einzelhandelsketten, wenn die Einkäufer wissen, was sich hinter der biozyklisch-veganen Produktqualität verbirgt. Daneben ist aber auch wichtig, dass es dann informierte Verbraucherinnen und Verbraucher gibt, die etwas mit dem Label anfangen können und die entsprechende Kaufentscheidung treffen. Wenn Betriebe sich nicht sicher sein können, dass das Label erkannt und nachgefragt wird, ist auch die Hemmung größer, sich für eine weitere Betriebskontrolle und zusätzlichen Aufwand zu entscheiden. Es ist also wichtig, auf allen Ebenen aufzuklären. Ich denke, es ist eine Frage der Zeit, bis biozyklisch-veganer Anbau mainstreamfähig und allgegenwärtig wird – so viele Vorteile wie er hat.

Welche Aufgabe hat der Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.V.?

Anja Bonzheim: Der Förderkreis ist der ideelle, gemeinnützige Förderverein der biozyklisch- veganen Agrikultur im deutschsprachigen Raum. Er klärt zum einen Verbraucherinnen und Verbraucher sowie den Handel über das neue biozyklisch-vegane Qualitätssiegel und die Hintergründe biozyklisch-veganer Produktion auf. Zum anderen ist der Förderkreis Ansprechpartner für Betriebe, die über eine Umstellung und Zertifizierung nach den biozyklisch-veganen Anbaurichtlinien nachdenken. Die Betriebe werden in ihrem Prozess unterstützt und beraten.

Weiterhin versteht sich der Förderkreis als politische Interessenvertretung und als Organisation, welche Forschungsergebnisse und Erfahrungen aus der landwirtschaftlichen Praxis bündelt, der breiten Öffentlichkeit zu Verfügung stellt, diese sensibilisiert und informiert.

Welche Möglichkeiten gibt es, den biozyklisch-veganen Anbau zu unterstützen? Anja Bonzheim: Verarbeiter können Erzeugnisse aus biozyklisch-veganem Anbau nachfragen und erste biozyklisch-vegane Verarbeitungsprodukte wie Tofu oder Nudeln herstellen. Der Handel kann damit beginnen, biozyklisch-vegane Ware ins Sortiment aufzunehmen.

Die einfachste Art, diese Anbauweise als Konsumentin oder Konsument zu fördern, ist eine Mitgliedschaft im Förderkreis, denn mit mehr Unterstützern können wir viel effektiver arbeiten. Auf der Seite www.biozyklisch-vegan.org sind Mitgliedsanträge zu finden. Wichtig ist auch, darüber zu sprechen und die Tatsache, dass Gemüse, das ja gemeinhin als „vegan“ gilt, letztendlich doch auch oft mit Schlachtabfall gedüngt ist und dass es dafür aber eine sinnvolle Alternative gibt, in die Gesellschaft zu tragen. Wir freuen uns über Menschen, die Lust haben, sich im Verein zu engagieren, Betriebe überzeugen oder Vorträge in Ihrer Uni oder veganen Gruppe anleiern möchten.

Und natürlich über Menschen, die, wenn das Label in den Lebensmitteleinzelhandel kommt, die richtige Konsumentscheidung treffen!

Eine letzte Frage: Könnte der biozyklisch-vegane Anbau die Welt ernähren? Anja Bonzheim: Zweifelsfrei! Durch den Wegfall der Tierhaltung würden enorm viele Flächen frei, die derzeit (sehr verschwenderisch, wie ich meine!) für den Anbau von Futtermitteln verwendet werden. Global gesehen ist das der Großteil des Ackerlandes. Die Umwandlungsrate von pflanzlichen Kalorien, wenn sie den Umweg über das Tier durchlaufen, ist jedoch denkbar schlecht.

Wir haushalten also sehr verschwenderisch mit den Nährstoffen, die wir zur Verfügung haben.

Wenn wir Lebensmittel anbauen würden, die direkt von uns Menschen konsumiert werden könnten, und dies in Mischkultur, mit einer großen Anbauvielfalt (wie es die vegane Ernährung ja auch erfordert!) und unter den Anforderungen des biozyklisch-veganen Anbaus, könnten sehr viel mehr Menschen satt werden. Voraussetzung ist natürlich auch eine Veränderung der Konsummuster.

Zudem kann durch die Nutzung von biozyklisch-veganer Humuserde zur Wiederbelebung der Böden und Steigerung der Bodenfruchtbarkeit erreicht werden, dass die Erträge steigen und damit mehr Menschen satt werden können. Biozyklisch-veganer Anbau hat das Potenzial weltweit angewendet zu werden. Zunächst müssen in meinen Augen diejenigen Länder, in denen das Wissen über die Problematik der Tierhaltung vorliegt, umdenken und damit beginnen, eine andere Art der Agrikultur zu leben.



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